Rezensionen
zum Kochbuch "Pilz-Art"
Karin Montag, Herausgeberin von «Der
Tintling», eine der besten
europäischen populär-mykologischen Zeitschriften,
schafft es seit mehr als 12
Jahren, ihre Zeitschrift alle drei Monate pünktlich erscheinen
zu lassen. Eine
erstaunliche Leistung angesichts der Tatsache, dass vor kurzem
«Champignons
Magazine»
bei den französischen Pilzliebhabern keine
Gnade mehr fand und
einging.
Außerdem veröffentlichte K. Montag eine recht
spannende Erzählung
unter dem Titel «Tödliche Pilze». Darin
spielen giftige
Schleierlinge eine wichtige Rolle. Die Autorin nimmt dabei auch
deutsche
Gesetzeslücken beim Handel mit Wildpilzen aufs Korn.
Und jetzt «Pilz-Art», keineswegs ein banales
Kochbuch, vielmehr ein
mit Liebe und reicher Erfahrung spielerisch verfasster Leitfaden mit
Rezepten
verschiedener, wohlschmeckender Pilzgerichte
Und was ist ein
Speisepilz?
Nach
der Autorin «ein Pilz, der im ausreichend gegarten Zustand
ungiftig, bekömmlich
und wohlschmeckend ist». Und sie fügt zu:
«Und der nicht auf der
Roten Liste der gefährdeten Pilzarten steht».
Die
Speisepläne sind
ansprechend gestaltet, in einigen Kapiteln werden Pilzarten wie
Egerlinge,
Rotkappen, Ritterlinge usw. gewürdigt, weitere Abschnitte
behandeln die Art der
Zubereitung wie Gebackenes, Füllungen, Salate, Suppen usw.
Einige Menu-Vorschläge
verdienen das Prädikat gastronomisch, im Sinne von
besonders delikat und
exklusiv, andere wiederum lassen sich ohne Kenntnisse der hohen Schule
der Kochkünste
einfach zubereiten mit Ingredienzen, die wohl jedermann jederzeit im
Hause hat.
Welche Pilze sind nun nach «Pilz-Art» die Favoriten
in der Pilzküche?
Klar, Steinpilze sind die Spitzenreiter.
Eine besondere
Schwäche der Autorin für
Rotkappen (Leccinum albostipitatum)
verrät schon der hübsche
Buchumschlag. Und was sich
da alles mit diesen Espenbegleitern machen lässt:
gefüllte Kartoffelknödel,
delikate Pilzburger, Rotkappen mit Lachs, die sich auf dem Umschlag
präsentieren.
Da lässt sich schon ein schmackhaftes Gericht mit einem
einzigen Parasol oder
ein bis zwei Rotkappen zubereiten. Und tatsächlich kam der
Geschmack dieser
beiden Pilze bei einem Selbstversuch optimal zur Geltung.
Ein Nachteil
ist, dass
diese Röhrlinge beim Kochen und Trocknen schwarz werden.
Zitronensaft verzögert
diesen Oxidationsprozess, verstiesse allerdings gegen den Grundsatz,
das
unverwechselbare Aroma des Pilzes zu erhalten. Es ist besser, eine
reiche
Rotkappenernte zu trocknen und zu mahlen und das so erhaltene
«Schwarzpulver»
in Saucenform Nudeln oder Ravioli beizufügen.
Nicht nur Perlpilze, Täublinge, Milchlinge, Morcheln
und Pfifferlinge,
sondern auch weniger geläufige und attraktive
Speisepilze, wie Schleierling
und Hallimasch finden eine kulinarische Würdigung. In
der Schweiz ist von den
Cortinarien nur die Schleiereule (Cortinarius praestans)
als
Marktpilz
zugelassen. Allerdings sammeln und verzehren ältere
Waldgänger immer noch
ziegelgelbe und geruchlose Varietäten der
Schönfüsse (Cortinarius varius
und Cortinarius variecolor).
Auch der Säge- blättrige
Klumpfuss (C. multiformis) wird
von Frau Montag als guter Speisepilz bezeichnet, allerdings nicht ohne
vor den
giftigen Rauköpfen (Leprocybe) vor allem den Orangefuchsigen
und Spitzbuckligen
Rauköpfen (C. orellanus und C. rubellus) zu warnen.
Obwohl schon seit mehr als 30 Jahren vom Verzehr von
Hallimasch abgeraten
wird, sind diese Pilze in Italien sehr gefragt und werden auf den
Märkten zu
Preisen feilgeboten, die sehr nahe an Steinpilze und Pfifferlinge
herankommen,
übrigens wird da offiziell geraten, die Pilze
abzubrühen und das Kochwasser
zu verwerfen. Darüber hat die Autorin ihre eigene Meinung.
Auch wenn man Hallimasche aus seinem kulinarischen Arsenal
verbannt hat, lohnt
es sich, ihre prächtig beschriebene Jugenderinnerung
«Hallimasch nach
Art von Oma Lucie» zu lesen.
Montags «Pilz-Art» ist den klassischen
Pilz-Kochbüchern mit ihren
«coffee table»-Varietäten weit
überlegen. Es bietet viel mehr
Informationen, einen hervorragenden Text, eine große Auswahl
von Rezepten und
schöne Fotos von Pilzen und Pilzgerichten. Kurz: Eine
Fundgrube für
Pilzliebhaber.
TJAKKO STIJVE,
St. Légier (CH)
PILZ-ART
– das
ultimative Pilz-Kochbuch für Selbstversorger
Banale Rezeptsammlungen für mykophage Supermarktkunden und
Marktgänger gibt es
mehr als genug. Auch fehlt es nicht an geheimen Offenbarungen selbst
ernannter
Myko-Gastronomen, die Genuss primär über den Preis
definieren und – wie
Thuri Maag in seinem neuesten Opus – in ihrer Hybris sogar
Kaiserlinge mit
Trüffelaroma betäuben. Prost Mahlzeit! denkt sich der
gemeine Pilzfreund, der
auf seiner Exkursion beiläufig ein paar
mittelprächtige Speisepilze für seine
Lieben daheim aufgesammelt hat. Vermutlich wird er ihnen wie gewohnt
den
obligatorischen Mischpilz-Mampf nach Art des Hauses auftischen und tief
enttäuscht
sein, wenn sein selbstloses Engagement nicht gebührend
gewürdigt wird.
Doch dem Manne bzw. der Frau kann jetzt geholfen werden. Denn Karin
Montag, die
umtriebige Macherin des TINTLING, hat ihr experimentelles
Pilz-Kochstudio nun
endlich für jedermann geöffnet, vor allem aber
für routinierte
Speisepilzsammler und couragierte Hobbyköche in
Personalunion:
Karin
Montag:
Pilz-Art. Küchenvergnügen mit Pilzen,
Schmelz 2007. 208 Seiten, 792 Fotos,
€ 24,90.
Der doppeldeutige Titel „Pilz-Art“ mag auf den
ersten Blick etwas
befremden, trifft aber durchaus des Pudels Kern, denn es geht sowohl um
die
artgemäße wie auch um die kunstfertige (aber nicht
artifizielle) Zubereitung
nicht handelsüblicher Wildpilze. Das Buch „soll
Ihnen helfen, Ihre
gesammelten Pilzschätze artgerecht, flexibel, vor allem aber
schmackhaft und
optisch ansprechend zu verwerten“ (Klappentext). Diese
Ankündigung macht
natürlich Appetit!
Die Küchenphilosophie von Frau Montag orientiert sich (bewusst
oder unbewusst)
an der Quintessenz der Kommunikationstheorie Marshall McLuhans:
„Das
Medium ist die Botschaft“. Ihr ureigenstes Medium sind
genießbare Pilze
aus Wald und Flur, die sie ohne übertriebenen Aufwand zu
Botschaftern des guten
Geschmacks veredelt. Oder anders ausgedrückt: Das A und O sind
selbst
gesammelte Speisepilze, die mit ihrem Geruch und Geschmack, ihrer
Konsistenz und
Haltbarkeit die Art der Zubereitung und die Wahl der Beilagen
bestimmen. Oder
kurz und knapp: Die eigentlichen Küchenstars sind die Pilze
mit ihrer
spezifischen Eigenart und ihrem speziellen Eigengeschmack. Alles
Weitere ergibt
sich fast von selbst.
So einfach ist es dann aber doch nicht. Zwar bedarf es zum Nachkochen
der
Rezepte keiner extravaganten Küchenausstattung und keines
exotischen
Vorratslagers, auch keines Crashkurses bei Witzigmann & Co,
doch sind eine
gehörige Portion Fantasie und Kreativität sowie ein
gewisser Sinn für Ästhetik
unerlässlich. Contitio sine qua non ist und bleibt aber eine
solide
Artenkenntnis, denn mit ihr steht und fällt nicht nur das
Gericht, sondern auch
derjenige, der es sich einverleibt. Insofern kann dieses innovative
Kochbuch
ausschließlich versierten Speisepilzsammlern empfohlen werden.
Für diese ist es allerdings eine wahre Fundgrube, denn neben
den
unvermeidlichen Steinpilzen und Pfifferlingen haut Frau Montag auch
Pfeffermilchlinge, Mehlräslinge und eine Vielzahl anderer
Pilzarten in die
Pfanne, die zumindest bei mir bisher striktes Küchenverbot
hatten. Und was sie
mit solchen vermeintlich minderwertigen Speisepilzen anrichtet, kann
sich
durchaus sehen und schmecken lassen.
Apropos schmecken: Frau Montag plädiert ganz entschieden
für Trennkost –
zwar nicht im Sinne gewisser Diätapostel, aber hinsichtlich
der separaten
Zubereitung unterschiedlicher Pilzarten und manchmal sogar Pilzteile.
Ein
sensibler Gaumen wird diesen zusätzlichen Arbeitsaufwand
freudig goutieren. Wer
ein gutes Essen als ganzheitliches Erlebnis versteht, wird auch seine
Augen
daran teilhaben lassen. Deshalb legt die Autorin gesteigerten Wert auf
die
augen(ge)fällige Präsentation ihrer
außergewöhnlichen Kreationen: Formen und
Farben verschmelzen zu einem harmonischen Augenschmaus und wirken so
als
unwiderstehliches optisches Amuse geule.
Das TINTLING-Kochbuch ist nicht gerade billig, aber angesichts der
Vielzahl,
Vielfalt und Originalität der Rezepte seinen Preis wert und
aufgrund der üppigen
Ausstattung sogar preiswert – schließlich kostet es
nicht mehr als fünf
Gramm Weiße Trüffel. Mit seinem festen Papier, der
soliden Fadenheftung und
dem strapazierfähigen Hardcover wird es auch bei regem
Gebrauch so manche
Pilzsaison unbeschadet überstehen. Hinzu kommt die
rekordverdächtige Zahl von
fast 800 Fotos, die allein schon appetitanregend wirken.
Wer mangels geeigneter Pilze nicht gleich den Kochlöffel
schwingen kann, sollte
sich erstmal den schalkhaften „Unfuch“ am Schluss
des Buches zu Gemüte
führen. Danach wird niemand mehr behaupten können,
dass Kochbücher
prinzipiell langweilig sind. Dafür bürgt Karin Montag
mit ihrem pilzkundlichen
Fachwissen, ihren kochtechnischen Fertigkeiten, ihrer
überbordenden Kreativität
und nicht zuletzt ihrem unübertrefflichen Sprachwitz. Wohl
bekomm’s!
MARTIN WAGNER, Mannheim
Hier gehts lang zum Nachfolger "Cook mal Pilze - Guck mal, Pilze"
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