Irrungen und Wirrungen des so genannten Forderungsmanagements. Einblicke in einen besonderen Gewerbezweig.

Der Vollstreckungsbescheid
Vollstreckungsbescheid
 
Er war das erste Sahnehäubchen auf einer Korrespondenz, die sich bis dato über fünf Jahre hingezogen hatte und die sich vermutlich noch weiter hinziehen wird.
Der obige Beschluss selbst stammt aus dem Jahr 1988 und baumelte als Kopie am soundsovielten Brief der Firma "XY Collectionscore", wie ich sie hier mal nennen will.
Im Folgenden will ich sie nur noch die Kollektoren nennen.
Dieser Brief war adressiert an mich, bzw. an meine korrekte Anschrift und ist eingegangen am 24.1.2014.
Der Vollstreckungsbescheid wurde seinerzeit ausgefertigt für eine Dame gleichen Namens, wohnhaft anderswo.
In diesem rund ein Vierteljahrhundert nach seiner Ausfertigung bei mir eingegangenen Zettel waren die Postleitzahlen noch vierstellig.
Die darin genannten Vollstrecker, Anwälte und Inkassofirmen sind z.T. noch immer aktiv, wie die Internet-Recherche ergab.

Das zugehörige Anschreiben dazu war ein erneuter Versuch der Inkassofirma, von mir Geld einzutreiben.
Dass ich denen nichts schuldig bin, brauche ich hoffentlich nicht extra zu erwähnen.

Die Vorgeschichte:
Ich wohne seit 1972 hier im Ort. Vor ein paar Jahren wohnte, für etwa ein halbes Jahr, eine ziemlich verkrachte Existenz erst auf dem Campingplatz, dann sogar in der gleichen Straße. Ihr Vor- und Zuname war mit meinem identisch.
Diese Lady kauft ein, was das Zeuch hält, macht Schulden, bezahlt diese ebensowenig wie die Wohnungsmiete, kriegt Pfändungen etc.
Da die Dame der Post zunächst nicht bekannt ist, zumal sie erstens keinen Namen an irgend einer Tür hat, zweitens nie als Bürgerin der Gemeinde gemeldet war, dazu auch noch durch Heirat den Namen gewechselt hat, kommen diese Briefe, oft mit Zustellurkunden, an mich, die langjährig ansässige Bewohnerin der Straße. Dies umso eher, als der Name  ungebräuchlicher als z.B. Müller-Meyer-Schulze ist.
Mutmaßlicher Dialog im Zustellstützpunkt der Deutschen Post AG: "Hey, ich hab hier Post für Karin M., aber adressiert an den Campingplatz."
"Nein, das ist sicher falsch, gib mir den Brief mit, ich werfe ihn ordentlich beim Tintling ein."
Die Stamm-Insassin der Gemeinde hat fortan alle Hände voll zu tun, um Post zu retournieren, und um gegenüber diversen Gläubigern zu erläutern, dass es sich hier um eine Adressen-, Personen- oder Namensverwechslung handelt.
Dann zieht die Schuldenmacherin wieder weg.
Die Briefe bleiben.
Die kommen jetzt sogar an die korrekte Anschrift, weil die Gläubiger beim Einwohnermeldeamt diese erfragen.
Von den Verwaltungsangestellten bekommen die Anfrager die aus deren Sicht korrekte Auskunft, dass es im Ort nur eine einzige Person dieses Namens gibt.
Fortan muss diese Ortsinsassin gegenüber Gerichten und anderen offiziellen Stellen sogar belegen, dass sie nicht die Gesuchte ist. Inzwischen hat sie Übung darin.

Eine gewisse Rufschädigung kommt erschwerend hinzu, denn es geht ein Raunen durchs Dorf (das hätten wir von der aber nicht gedacht..)
Aber was solls, so schlecht, wie ich bin, können die mich eh nicht machen.

Irgendwann wird die Post weniger und bleibt schließlich ganz aus.
Oder fast.
Nur fast!
Denn einer der Schuldeneintreiber ist ganz besonders hartnäckig.
Die Firma scheint darauf spezialisiert zu sein, uneinbringbare Forderungen von anderen zu übernehmen und anschließend zu versilbern.

In diesem Fall wurden von einem Versandhaus in zwei verschiedenen Vorgängen insgesamt mehrere Tausend Euro geltend gemacht.  
(Wieso kriegen diese Leute eigentlich so viele Sachen, ohne bezahlen zu müssen?)

Das erste Schreiben der Beitreiberfirma, vom 25.9.2009:
Chance ein neues Leben anzufangen

DIE Chance für einen Neuanfang. Das wollte ich schon immer mal. Klingt doch erst mal verlockend, oder?

Sie sehen: Der ursprüngliche Betrag von 2319,62 DM (!) für die in 1988 gekauften Waren war bis zum 25.9.2009 auf die stolze Summe von 4104,28 Euro (!) angeschwollen.
Und da behaupte noch einer, wir hätten keine Inflation!

Schon 2009 wurde der Firma plausibel dargelegt, dass es sich um eine Personenverwechslung handelt. In der Folge war auch über ein Jahr lang Ruhe.
Es war aber die Ruhe vor dem Sturm. 2011 drohten die Kollektoren mit Zwangsvollsteckung und Schufa-Eintrag.
(Ob ich da mal nachhören sollte, ob die Brüder einen Eintrag auf meinen Namen veranlasst haben...?)

Jetzt drohen Zwangsvollstreckung und Schufa

Die Adressatin forderte, dass die Inkassofirma den Inhalt des Schreibens zurückzunehmen habe.
Die Inkassofirma schrieb zurück, dass die Adressatin erst eine Kopie ihres Personalausweises zwecks Datenabgleich schicken solle. Bis dahin hätte sie damit zu rechnen, dass die Forderung weiter betrieben wird.

Google öffnet Abgründe: Bei dem Inkassounternehmen scheint es sich um ein Institut zu handeln, das nicht gerade zimperlich ist.
Die Eintreiber stehen mit Lederjacken an der Bank, warten, bis ein Harz-IV-Empfänger seine Gage abgeholt hat, und knöpfen dem dann 10.- Euro davon ab.
Das hat mir nicht nur Google, sondern sogar ein Mitarbeiter dieser Firma damals selbst erzählt.
Und so jemandem den Perso schicken??  
Hah, dann hätten die am Ende - neben der schon gewohnheitsmäßig verwendeten falsch-richtigen Anschrift - sogar noch einen passenden Geburtstag für einen eigens und individuell erstellten Mahnbescheid. Trau, schau, wem!
Übrigens erzählte mir der Mitarbeiter damals auch, dass solche verkrachten Existenzen ganz bewusst die räumliche Nähe zu unbekannten Namensvettern suchen, weil sie aus Erfahrung und aus Kommunikation mit Gleichgesinnten wissen, dass dadurch ein Teil der Forderungen gegenstandslos wird.

Das kann ich bestätigen.
Denn die Forderungen, die ich selbst nach dem Auszug der Dame bei den diversen Gerichten, Anwälten, Buchclubs, Händlern, Energielieferanten etc. abgewehrt habe,
wurden nach meiner Kenntnis zum großen Teil nicht weiter betrieben.
Ein wirklich interessantes Geschäftsmodell.

Die Frage meinerseits an die Firma XY Co., woher sie eigentlich meine Anschrift haben, wurde bis heute nicht beantwortet. Da sollte ich mal einhaken.

Warten auf Godot. Warten auf den Gerichtsvollzieher, damit ich dem stolz meinen aktuellen Personalausweis und eine Meldebestätigung zeigen und ihn wegschicken kann.

Statt dessen kommt erst mal der nächste Brief. Sie wollen immer noch meinen Personalausweis in Kopie.
Die Hartnäckigkeit der Firma imponiert mir übrigens. Wenn ich mal eine uneinbringbare Forderung gegen jemanden haben sollte, werde ich sie ihr vielleicht anbieten.

Sie wollen meinen Personalausweis in Kopie

Es kamen weitere Briefe. Zur Abwechslung mit einem anderen Aktenzeichen. Forderungsinhaber war in beiden Fällen das gleiche Kaufhaus.
Irgendwann haben die Kollektoren entdeckt, dass es da mehrere Vorgänge gibt, die die gleiche Schuldnerin betreffen.
Ob sie wegen der besseren Übersichtlichkeit  einen Sammelordner anlegen sollten?
In den Augen von der  Kollektoren war und bin ich nun dieser Schuldenbuckel, denn die Alternative, die wahre Schuldnerin, ist scheinbar vom Erdboden verschluckt.

Partielle Erklärung: Die Schuldnerin hatte einen Lebensgefährten. Den hat sie in der kurzen Zeit ihres Hierseins geheiratet und seinen Namen angenommen.
Kurz danach ist er gestorben. Nicht ohne zuvor auch eine Polizeiakte mit Inhalt versehen zu haben. Die Witwe zieht weg. Sie heißt jetzt K.T. geb. X., gesch. Y, verw. Z. Wer soll so jemanden noch finden und wie? Ich hätte ja einen Tipp....
...  denn ich hatte die Anschrift der Säumigen auf dem "kleinen Behördenweg" in Erfahrung gebracht. Leider hat sich niemand dafür interessiert. Auch nicht die Firma Collektschendings.
Fakt derzeit ist: Ich bin wieder allein im Dorf mit meinem komischen Namen und den bösen Briefen. Diese kommen inzwischen aber nur noch aus besagter Ecke.

Bin gerade etwas neidisch auf die schuldbeladene Lady, die mit ihrer Philosophie von einem "Savoir Vivre" auf anderer Leute Kosten doch prima durchkommt.
Und wenn sie nicht gestorben ist, kauft sie noch heute bei Hertiequelle & Kaufstadt Co. auf nie zu zahlenden Pump.
Ähmm.... Die Firma, bei der sie 1998 gekauft hatte, ist inzwischen übrigens pleite.

Oder hat eher Wilhelm Busch Recht, wenn er sagt: "So richtig glücklich wird doch nie, wer zahlen soll und weiß nicht wie."

Kurzer Abschweifer: Der Begriff Forderungsmanagement fördert bei Google 1.350.000 Treffer zu Tage. Der Begriff Knollenblätterpilz nur 62.600. Stand 2014.

Warum sollte ich denn etwas beweisen müssen?

Januar 2014: Jetzt werden sie aber rabiat... (ich auch)

Jetzt werden sie aber rabiat

Die Freunde und Helfer schreiben einen Brief. Aktenzeichen ist auch dabei. Für falls mans mal braucht.

Ob sie mir helfen werden?

Doch es geschehen noch Zeichen und Wunder: Am 6.2.2014 dieses Scheiben, ein echtes Entschuldigungschreiben:

Entschuldigung

Die avisierte Kopie war allerdings nicht dabei.

Entschuldigen kann man sich übrigens nicht selbst: man kann höchstens den anderen um Entschuldigung bitten. Aber das sind Feinheiten. Für manche sicher zu hoch.

Egal. THE END (hoffentlich) Februar 2014
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4.3.2017: Von wegen: Equal get it wider (auf deutsch: gleich gehts weiter). Heute kam ein neuer Schrieb.

Diesmal hat eine andere Collektschenfirma irgend eine angebliche Forderung aus dem Jahr 1988 an die mir sattsam bekannten Collectionsammler abgetreten.  
Die wiederholte Abtretung von Forderungen an Dritte scheint ohnehin schwer in Mode zu kommen.

So sah der beigefügte Anhang aus. Sie wollen diesmal 1421,30 Euro, über die angeblich ein Vollstreckungsbescheid des Amtgerichtes Euskirchen  aus dem Jahr 1996  vorliegen soll. Eine Kopie der eigentlichen Titulierung war nicht dabei.

Ich kann mir nach den Erfahrungen der letzten 10 Jahre schon vorstellen, dass die Forderung selber durchaus zu Recht bestehen könnte. Aber sie beträfe dann eben nicht mich, sondern mutmaßlich meine ehemalige, temporäre Namensvetternachbarin. Und genau das raffen die Kollektionensammler eben nicht.

Forderung aus 1988

Sie bekamen darauf hin eine Mail von mir und als Anhang das seinerzeitige "Entschuldigungsschreiben":

Mail 6.3.17

Tatsächlich kam am 21.3.17 Post, incl. der Kopie ihres seinerzeitigen Rechtfertigungsschreibens an die Polizei.

In letzterem die folgende Passage: ."... steckte keine betrügerische Absicht hinter den Schreiben, sondern lediglich eine systemische Schwachstelle, die wir versuchen abzustellen."

Ja, Jungs und Mädels, falls Ihr einen solchen Versuch gemacht habt, dann war er nicht sonderlich erfolgreich...

Ich werde denen folgendes schreiben (vielleicht auch nicht):

Sehr geehrte Damen und Herren,

danke für Ihr Schreiben vom 17.3.2017, eingegangen am 20.3.2017

Nach all dem, was ich in den letzten 8 Jahren mit Ihnen erleben durfte, erstaunt es mich nicht, dass schon in der ersten Textzeile gravierende Fehler sind: Allein im Datum ist der Tag UND der Monat UND das Jahr falsch. Richtig muss es heißen: ... Ihre Email vom 06.03.2017 und nicht ... vom 04.02.2015.
Dies nicht nur als Hinweis für Sie, sondern auch vorbeugend als Hilfe für künftige externe Bearbeiter.

Es ist ebenfalls bezeichnend, dass Sie sich zwar auf meine E-Mail beziehen, dann aber die eigentliche Erläuterung vermissen lassen.

Danke für die verspätete Durchschrift Ihres interessanten und sehr aufschlussreichen Rechtfertigungsschreibens vom 20.2.2014 an die Polizei. Nach der Lektüre wundert es mich nicht, dass damals versehentlich versäumt wurde, dem "Entschuldigungsschreiben" diese Kopie beizulegen.

Es sei abschließend betont, dass das nächste Forderungsschreiben, das Sie an mich adressieren, als Nötigung betrachtet und ohne weitere Korrespondenz an die Justizbehörden weitergeleitet werden wird.

MfG, mit greulichen Füßen...

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Update 23.3.2017: 10.32 h: Ah, ich sehe gerade auf dem Display des AB (02850430080), dass eine neue Runde eingeläutet werden könnte. Rumänisch Inkasso. Ob "XY Collectionscore" ihre uneinbringbare Forderung nach Rumänien verhökert hat? *Karin krempelt schon mal die Ärmel hoch*.

rumänisch inkasso

Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.

Knapp 4 Monate später, am 7.7.2017: Das Telefon. Sie sind hartnäckig - und sie versuchen es nicht nur bei mir. Man beachte die Unterschiede zur Version 1 vom 13.3.17
sie sind hartnäckig - und sie versuchen es nicht nur bei mir

The never ending story... Update Pfingsten 2021
Trotz der abschließenden Korrespondenz und obwohl der Titel von 1998 seit mehreren Jahren abgelaufen sein müsste, rufen die Kollektoren zweimal täglich an.
Allerdings auf einer Nummer, bei der kein Mensch abhebt und an der auch kein Anrufbeantworter ist.
Jüngstens habe ich der Fritzbox den Auftrag gegeben die Rufe umzuleiten - auf die Zentralnummer der Kollektoren.
Man sollte denken, dass die jetzt anfangen zu denken... Jetzt, wo sie sich selber in der eigenen Schleife herumschleifen.
Aber nein... :
Kollektorentelonate



Nach Hause zum Tintling .