72 Tage im Fahrstall

Bis zum 21.9.2007 um 9.15 h wusste ich genau drei Dinge von Pferden. Erstens, dass sie an jeder Ecke ein Bein haben. Zweitens, dass sie, wie alle Pflanzen fressenden Säugetiere, das Wasser aufsaugen (schlürf), im Gegenteil zu Fleischfressern und Räubern, die das Wasser mit der Zunge auflecken (schlapp schlapp). Drittens, dass Pferde, wie auch hier alle Pflanzenfresser, die Augen seitlich am Kopf haben (zwecks wachsamem Rundumblick), im Gegensatz zu den Räubern, deren Augen (die Beute fokussierend) nach vorne gerichtet sind. Ja, jetzt dürfen Sie einen Moment innehalten und überlegen, ob Menschen, Primaten, Schweine und Ratten Fleisch- oder Pflanzenköstler sind, ob Allesfresser, Räuber oder friedliche Kreaturen... 

Wie auch immer, das Universum schleuderte mich im schwer fortgeschrittenen Alter von weit jenseits der Fuffzich mit Hilfe seines Handlangers Frankieman, einem Kometen gleich, in eine Parallel-Galaxie und dort in ein Sonnensystem der eigenen Art: In einen Fahrstall. Der Durchgang dieses Körpers dauerte genau 72 Tage. Alle, Sonne, Planeten, diverse Monde und der Komet selbst haben dabei einiges erlebt, erlitten und gelernt.

Heute, nach diesen 72 Tagen, weiß die Fahrschülerin, was der Scherring an der Kinnkette für eine Funktion hat, dass Schimmel meistens als Rappen, seltener als Füchse geboren werden, dass die Greiskräuter üblere Giftpflanzen für Pferde sind als die Eibe, dass der Friesenhengst Romke von 1974 bis 1985 die inzuchtgefährdeten Klathruby-Räppinnen in Slatinany begattet hat, dass es Knabstrupper in Größe S, M und L gibt und wer die Mutter von Benno Achenbach war. Usw.

Wenn Sie aus diesen Worten schließen, dass hier ein Talent der Sonderklasse am Hippohimmel erschienen ist, dann irren Sie:
Hier eine kleine Statistik anschisswürdiger Untaten in diesen 72 Tagen als Fahrschülerin:
75 x die Leine im Schaumring statt im Schlitz der Liverpool- oder Ellbogenkandare befestigt
122 x die Leine über dem Stallhalfter statt darunter zur Kandare geführt.
34 x der Zugstrang unter dem Kammdeckel zu liegen kam (dies aber stets nur auf der Innenseite des rechten Pferdes).
98 x der Nasenriemen auf einer Seite nicht korrekt eingeschlauft war,
73 x der Nackenriemen des Brustblattes an einem Ende eingeschlagen war,
180 x die Leinen unter dem Halsriemen statt unter der Oberblattstrupfe abgelegt,
65 x die Sprunglocken vergessen anzuziehen,
66 x vergessen die Sprungglocken auszuziehen.
4 x den Sprungriemen vergessen einzuziehen.
6 x nicht geschafft den Sperriemen richtig zuzuziehen.
> 1000 x rechts/links vertauscht bei allem, was Pferde, Wagen und Geschirrteile so hergeben.
12 x den Gurt um die Abschwitzdecke vergessen anzulegen.
ca. 243567 noch leidlich trockene, sündhaft teure  Strohhalme in den Mistkübel befördert statt sie in der Box zu belassen
1 x Max in Moritz´ Box gestellt mit dem Ergebnis, dass er seinem verhassten Nachbarn die Box eingetreten hat (ach nein, das war ja gar nicht ich, fällt mir gerade ein, das war der Chef selber...)
Hellseherische Fähigkeiten vermissen lassen (Konkret: Es sollte das neue Zilko-Geschirr aufgelegt werden. Die Vermutung lag hier nahe, dass dies an dem Haken mit der Bezeichnung "Zilko neu" hängen könnte. Doch weit gefehlt: Das neue Zilko hängt am Haken "Zilko alt", das alte Zilko hängt ganz woanders und am Haken "Zilko neu" hängt ein Kieffer-Geschirr. Ein neues übrigens.) Für ein Anmotzen hat es aber ausgereicht.
6 x die falsche Zirarettenmarke gebracht.
1 x den Chef mit einem Giftpilz gefüttert. Dabei war der Pilz unstrittig essbar. Aber wenn man einen klodeckelgroßen Parasol in einem halben Pfund Butter brät, das fertige Werk dann auf ein zuvor genossenes opulentes Abendessen legt, da drauf ein Schnaps schüttet und den dann noch mit Kaffee übergießt, dann will der Pilz halt wieder an die frische Luft und sich aus der Kloschüssel heraus ansehen, wer das ganze Zeugs verklappt hat. Und warum. Aber dann warsm Karin sei Pilz. Ja, was auch sonst.
25 x das Pferd falsch angebunden.
12 x die Kutsche zu früh aus der Garage geholt.
15 x dasselbe zu spät gemacht.
1788 Pylonen touchiert, umgeworfen oder verbogen.
180 Kurven nicht gekriegt, auf ebenso vielen geraden Strecken unfreiwillig Slalom gefahren.
1 Million mal mit den Pferden zu leise oder zu wenig geredet.
Ebenso oft mit der Peitsche zu schwächlich, zu selten oder gar nicht getroffen.
Unzählbar die Fälle, wo die Leinen zu viel oder zu wenig, zu lang oder zu kurz nachgegeben oder angenommen wurden.
1345 x waren die Leinen sowieso zu lang oder zu kurz.
789 x krumm und/oder schief auf dem Bock gesessen.
620 x einen statt zwei Finger zwischen rechter und linker Leine gehabt.

Wenn Sie aus alldem wiederum schließen, dass ich ungefähr 2500 Fahrstunden in den 72 Tagen hatte, irren Sie schon wieder. Dies ist sozusagen eine gefühlte Statistik und dieses Feeling hat seine Basis in der (gefühlten?) Zahl der Rügen durch den Chef. Ich verkneife mir jetzt das unrühmliche Ende vom Dillinger Vierer-Turnier, diverses Weitere und locke Sie wieder zum Anfang.

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