Reingetappt

Es geht um mutmaßliche Virtuelle Fallenstellerei mit Wasserzeichen und Spyware.

Folgendes Malheurchen ist mir im Sommer 2009 passiert: Ich habe bei Ebay eine Viren-Software aus dem Jahr 2004 verkauft. Doch statt von der Verpackung ein eigenes Foto zu machen (was mir ein Leichtes gewesen wäre), habe ich eines von den Hunderten aus dem Netz genommen, in der Annahme, dass es ein Bild des Herstellers ist. Das mag ein Fehler gewesen sein oder auch nicht, soll hier keine allzu große Rolle spielen.
Ein paar Tage später ersteigerte jemand die angebotene Ware zu ca 20 Euro und sie wurde versandt. Unmittelbar danach erhielt ich eine Mitteilung von Ebay, dass ich gegen das Copyright verstoßen hätte, der Artikel entfernt werden würde und alle Bieter von dem Copyrightverstoß unterrichtet werden würden. Weitere paar Tage darauf bekam ich Post von einem Händler, mit der Aufforderung 578.- Euro für sein Bild zu zahlen und eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.
Für den Fall, dass ich das nicht täte, drohte er mit Klage und Strafanzeige.

Daraufhin schrieb ich ihm einen netten Brief, entschuldigte mich, erklärte ihm, dass meiner Ansicht nach höchstens der Hersteller einer Ware ein Copyright auf seine Pappschachtel  haben könne und dass ohnehin kein Hinweis auf ein Copyright auf dem Bild war. Ich wies ihn darauf hin, dass seine Forderung ungeachtet der Copyrightfrage völlig überzogen sei und legte dem Brief einen Verrechnungsscheck über 50.- Euro bei. Dazu erklärte ich ihm eindeutig, dass das keine Anerkenntnis irgend einer Schuld ist, sondern ein Friedensangebot und dass der Scheck zurückzugeben sei, falls er den Rechtsweg beschreiten wolle.  In diesem Fall würden wir die Sache bis zum Ende ausfechten, erklärte ich ihm.
Er löste den Scheck kommentarlos und fristgerecht ein.
Fall also erledigt. 

Detail im Hintergrund: Die Rechtsanwälte reißen sich um solche Fälle wegen des geringen Streitwertes im Allgemeinen nicht besonders. In Sozietäten hat sich oft der unerfahrenste Junganwalt darum zu kümmern, wenn es schon nicht zu vermeiden ist. Kommt es zu Klagen, werden von den Prozeßbevollmächtigten meistens Vergleiche angestrebt und erzielt. Der Kläger bekommt also nur einen Teil der geforderten Summe  und muss davon noch den RA bezahlen, zusätzliche Vergleichsgebühr inclusive. Lohnt sich also unterm Strich nicht. Vielmehr ist es fraglich, ob er nach einem etwaigen Prozeß überhaupt mehr als die angebotenen 50.- Euro übrig gehabt hätte.
Das mögen die Gründe dafür gewesen sein, dass der dies bezüglich möglicherweise schon erfahrene o.g. Händler nicht via RA abmahnen ließ, sondern selbst besagte Rechnung verfasst hat und dass er den Scheck eingelöst hat.

Soweit so gut. Die Sache war  mit dem Einlösen des Schecks wider Erwarten aber keineswegs zu Ende.
Zwei Monate später kam nämlich ein Brief von dem gleichen Händler, in dem er erklärte, dass er den Scheck nur als Anzahlung betrachten würde. Er forderte weiteres Geld. Diesmal wollte er 350.- Euro, als "Schadenersatz". Nun ja, man kanns ja mal versuchen...

Ich antwortete einzeilig, dass ihm der Rechtsweg offen stünde.

Gleichzeitig schickte ich den ganzen Vorgang an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Überprüfung, ob der Ebay-Händler in irgendeiner Form gegen Recht und Gesetz verstoßen haben könnte. Fallenstellerei im Internet, virtuelle Bauernfängerei oder sowas. Es liegt ja auf der Hand, dass es für den Händler wesentlich erfolgversprechender sein dürfte, 600.- Euro durch einen - wie ich vermute - bewusst provozierten  „Verstoß gegen das Copyright“ zu erzielen als die gleiche Summe durch den Verkauf des realen (ohnehin veralteten und niedrigpreisigen) Produktes zu erwirtschaften.
Die Staatsanwaltschaft verfolgte den Vorgang nicht mit übergroßem Engagement. Sie schrieb vielmehr, dass kein öffentliches Interesse an dem Fall bestünde und dass ich den zivilen Klageweg beschreiten solle.
Was mir aber ziemlich sinnlos erschien.

Anfang November 2009 kam ein "Binnenbrief", diesmal vom Anwalt des Händlers: Wenn ich nicht binnen 14 Tagen 350 Geld rüberwachsen ließe, würde er klagen. 

Ich habe ihm in zwei Mini-Absätzen geschrieben, dass ich mich mit seinem Mandanten bereits geeinigt hätte, dass die Sache nach gültiger Rechtsprechung als erledigt betrachtet werden kann und dass ich den Vorgang mit aussagefähigem Anschreiben der Staatsanwaltschaft übergeben habe.
Dann passierte ein halbes Jahr lang nichts. (Ob sie wohl abwarten wollten, ob der Staatsanwald tätig wird? Man weiß es nicht..)
Im Sommer 2010 flatterte die Klage auf den Tisch. Eingeklagt werden sollte die Zahlung von 578.- Euro + Zinsen und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

1. Termin: Richterin rät dem Kläger die Klage zurückzunehmen. Kläger beantragt "Schriftsatznachlass".
2. Termin: Wiederaufnahme des mündlichen Verfahrens nach bemerkenswert engagiertem Schriftsatz des Klägeranwaltes, Beweisaufnahme, persönliches Erscheinen von Parteien und Zeugen beim Landgericht Köln.

Ich kürze jetzt leicht ab: ich habe ohne Utsch und Weh gewonnen.
Die Gegner haben noch im Termin angekündigt, die Möglichkeit einer Berufung prüfen zu wollen.
Das Oberlandesgericht haben sie dann aber doch nicht angerufen.
Jetzt versuche ich das verauslagte Geld wiederzukriegen, immerhin um die 1500.- Euro. Und ich werde den Knaben gnadenlos verfolgen, notfalls über 30 Jahre lang, denn solange bleibt eine Forderung bestehen.
Den Kläger selbst dürfte der Spaß unterm Strich mindestens 4000.- kosten.
Ach ja, und der Kläger konnte beweisen, dass das tatsächlich sein Foto war. Als Zeuge diente sein Bruder, wobei der Kläger 200.- Euro als Vorauszahlung leisten musste, damit dieser Bruder überhaupt geladen wurde.
Dieser führte aus, dass er im fraglichen Zeitraum stets daneben stand, wenn sein Bruder auf den Auslöser drückte....
Ach ja, zum Streitwert: Der wurde auf 6.600 Euro festgesetzt. 600.- für die Forderung, 6000.- für die Unterlassungserklärung.

In Sachen Software, Filme und Musik gibt es übrigens bereits eine Reihe einschlägiger Urteile, wonach "Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung" eindeutig unter Strafe steht.
Pikant z.B. dies
Da soll ein Verein, der ausgerechnet die Inhaber von Copyrights zu schützen vorgibt, und selbst bis vor einiger Zeit sogar der Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen geholfen hat, einen Server gesponsert haben, der Filme zum illegalen Download zur Verfügung stellt. Wenn die dann runtergeladen wurden, wird den Leuten anschließend von der GVU die Rechnung präsentiert.
Erinnert mich an den Feuerwehrmann, der selber zündelt, damit er löschen kann.
Oder hier. Einiges sehr interessant, trifft aber meinen kleinen Ebay-Fall nicht besonders...

Gruss von Karin Montag,
die diesen Text nicht zuletzt deshalb verfasst hat, damit  andere nicht in die Fallen solcher Händler tappen oder, falls sie schon reingetappt sind, wenigstens halbwegs unbeschadet dort wieder rauskommen.
Wie man sieht, gibt es ja auch Fälle, in denen der Fallensteller sich in seinen eigenen Drähten verheddert.

Update 1.11.11
Genau an Helloween hat mein RA mir mein Geld aufs Konto überwiesen. Der Gegner hat also gezahlt. Ja, das war unterm Strich ein teurer Spaß für ihn. Hätte der doch mal besser einfach meine 50.- Euro genommen und sich an Dieter Nuhrs Wahlspruch gehalten. Fast tut er mir ein bisschen Leid.
Ich glaube, ich werde etwas bei ihm kaufen und ihn anschließend positiv bewerten. Etwa so: "Es macht Spaß mit diesem Ebayer Geschäfte zu machen." So in der Art. Diesen Spaß hat er mir aber nicht gegönnt, denn:

unerwünschter Kunde

LOL: Ich stehe offensichtlich auf seiner Schwarzen Liste unerwünschter Kunden. Wahrscheinlich verfügt er auch hier bereits über einschlägige Erfahrungen. Diverse Negativbewertungen legen diesen Schluss nahe. Aber ich hätte ihn doch positiv bewertet, denn ich bin ja nicht nachtragend. :-))

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