Die
Sache
mit
dem Kuli...
... fing so an: Am Donnerstag, dem 9.Januar 23 brachte ich morgens die Quartalspapiere zur Kanzlei der Steuerberatung und fuhr anschließend wieder heim. Nach 2 x 25 km und der entsprechenden Zeit sind Lichter, Läufe und Blase im Roten Bereich. Mit letzter Kraft das Auto in die Garage, Tor zu, Achterteil auf die V&B-Schüssel, krankes Bein pflegen, Augen zu, durchatmen. Der Anrufbeantworter blinkt. Eine energisch-hochfrequente Stimme: „Sie haben meinen Dauerschreiber mitgenommen. Den müssten Sie mir wiedergeben.“ Zurück ans Auto. Tatsächlich, da liegt er zwischen Papieren und Handtasche. Ein mintgrünes Teil. Auweipeinlich. Aber eigentlich hätte ich sogar eine Entschuldigung: Die Dame hatte mich mitsamt dem Schreiber flugs in einen Nebenraum gescheucht, wo ich das, weswegen ich mir überhaupt einen Schreiber erbeten hatte, bitteschön der Sachbearbeiterin vortragen möge. Gesagt, getan und nachdem das erledigt und noch ein paar freundliche Worte mit der netten Dame gewechselt waren, war der Schreiber aus den Augen, aus dem Sinn und danach im Auto. Aber die Anruferin hatte natürlich Recht: der Schreiber gehört mir nicht und sie kriegt ihn wieder. Selbstverständlich. Ich rufe sie also schuldbewusst zurück und mache ihr den Vorschlag, dass mein Sohn den Schreiber am Wochenende Herrn XXX übergibt. Die beiden sind nämlich sportlich verbandelt und durch Vermittlung von Sohn zu Herrn XXX bin ich dort überhaupt Klientin geworden. Sie würde ihren Schreiber auf diese Weise schon am kommenden Montag wieder haben. Das akzeptierte sie allerdings nicht, weil ihr das zu lange dauere. Ob ich ihr ihn nicht gleich wieder bringen könne. Gleich??? Ja, hat die denn ´nen Koppschuss? Nochmal 50 km fahren wegen eines Kulis? Kopfschüttel…. Und hat eine Firma mit zig Angestellten keinen Zweitschreiber? Aber das alles denke ich nur, sage es nicht laut. Während des Telefonierens nach dem Schreiber googeln, man muss ja heute selbst auf der Schwelle zum Greisentum multitaskingfähig sein. Büroversender mit Next-Day-Service gefunden. Vorschlag an Frau XXX: ich lasse ihn von dort direkt zu Ihren Händen schicken, dann haben sie ihn morgen. Marke, Farbe und Schriftstärke original. Und neu dazu. Dieser Vorschlag findet ihren Gefallen aber leider auch nicht, weshalb auch immer. Von dem dritten Versuch, mir den Schreiber einfach auf die Rechnung zu setzen, hält sie noch weniger. Aha, die Dame will die unverschämte Diebsperson offenbar sofort, persönlich und reumütig antanzen lassen, vermute ich. Das würde auch ins größere Bild passen. Im Verlauf des Telefonates erläuterte sie, dass sie diese Schreiber ja extra in diesem speziellen Mintgrün bestellt und dass das ihre ganz persönliche Note sei und dass sie das auch deswegen tue, weil man ihr Besitztum dann nicht verwechseln würde, zeteretcetera… Ich fragte nach: Müssen Sie die denn aus ihrer Privatschatulle bezahlen? Nein, natürlich nicht. Sie bestellen die also einzeln. Wäre es denn nicht günstiger, wenn man sich gleich mehrere zulegen würde? Das Porto kostet sonst ja mehr als der Schreiber selber. Es könnte ja auch mal einer leer werden… Fragen über Fragen... Sie räumte ein, dass sie noch welche hätte. Allmählich schien ihr zu dämmern, dass sie weder im Sinne ihres Arbeitgebers noch im Sinn von dessen Kunden handelte. Nach einigem mühsamem Herumdrucksen sagte sie: „ich schenke ihnen den Schreiber.“ Das wollte ich aber nicht. Das hätte ich schon nach dem Abhören des Anrufbeantworters nicht mehr gewollt. Ab jetzt folgt der Original-Dialog per Mail, ungekürzt und unverändert. Nur Wiedererkennbares ist durch „XXX" ersetzt und mein Name durch „Klientin" —————— Klientin: Hallo Frau XXX, ich bitte Sie um Entschuldigung für das Mitnehmen Ihres Dauerschreibers. Es sei Ihnen noch einmal versichert, dass das keine Absicht war. Nach erneutem Anhören Ihrer Nachricht auf dem AB schien es mir angezeigt, unverzüglich zu handeln. Soeben habe ich ihn also zur Post nach XXX gebracht und zur Sicherheit sogar per Einschreiben versendet. Er sollte also schon morgen wieder bei Ihnen sein. ———————————— Die Antwort folgte umgehend: Hallo Frau Klientin, vielen vielen lieben Dank :-) ———————————————— Anderntags, 10.1.24 11:36 h Hallo Frau XXX, das avisierte Einschreiben an Sie ist in der Zustellung: https://www.dhl.de/de/privatkunden/dhl-sendungsverfolgung.html?piececode=RT37XXX88DE Mithin betrachte ich die „Affaire Kuli“ nach sämtlichen vorangegangenen Versuchen, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen, als abgeschlossen. Für künftige Begegnungen mit so schusseligen Kunden wie mir mache ich Ihnen den Vorschlag, das kostbare Teil an die Kette zu legen. Einfach so einen formschönen Schreiberständer wie in der Anlage unten links (ca. 5.- €) auf den Schreibtisch und mit ein paar Schrauben festspaxen. Bei der Firma, bei der es so etwas gibt, gibt es auch den Schreiber schon für € 3,16 € inklusive Mehrwertsteuer. Portofrei sogar, wenn man sie im Dutzend bestellt. Ich habe noch weitere Verbesserungsideen; die werde ich mit Herrn XXX besprechen, wenn der Abschluss ansteht. Genau so viele viele liebe Grüße zurück ;-) ————————————— 22 Minuten später: Hallo Frau Klientin, vielen Dank für Ihre Bemühungen. Sendung ist angekommen. VG XXX ———————————— Hmmm... Von den einstmals vielen vielen lieben Dankesgrüßen kommt aber nicht mehr viel rüber. Außerdem: Das Auto noch am gleichen Vormittag ein zweites Mal hervorzukramen, um in die Post der Nachbarstadt zu fahren, um dort ein Einschreiben mit einem Gebrauchtkuli aufzugeben, ließ mich daran zweifeln, ob hier alles in der richtigen Spur läuft. Für das Geld, das die Aktion insgesamt gekostet hat, hätte ich mir viele mintgrüne Kulis kaufen können. Aber es war letztlich ja auch meine Schuld. Alles hat seinen Preis. Wie im richtigen Leben. Immerhin musste Frau XXX kaum mehr als 24 Stunden auf ihren mintgrünen Kuli verzichten. Selber prüfe ich allerdings, ob ich künftig darauf verzichten sollte, der Zahl-Kuli dieser Firma zu sein. Die Kanzlei sehe ich nach der Kuli-Aktion nämlich mit ganz anderen Augen an, als davor. Und wenn man mir künftig, etwa aus Anlass der Jahresabschlussbesprechung, einen Kaffee oder ein Wasser anbietet, werde ich mit Rücksicht auf das augenscheinlich knappe Budjet der Kanzlei dankend ablehnen. Wie Sie vielleicht vemuten, gab es einen speziellen Anlass, die Aktion jetzt - mehr als 1 Jahr später - mal aufzuschreiben und sie damit vor dem etwaigen Vergessenwerden zu bewahren: Im April 2024 kam von der Kanzlei nämlich eine Rechnung, zu der ich eine simple Rückfrage hatte. Eine Antwort erfolgte bisher nicht. Das finde ich, vor allem vor dem HIntergrund der engagierten Kuli-Rückforderung, ziemlich bemerkenswert. Am kommenden Montag werde ich die Kanzlei an die Antwort erinnern müssen. Diese kam nach der Erinnerung dann recht flott. zurück . zum Tintling |